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ERM Morges

Kontext

Der Interkommunale Verband für die Abwasserreinigung der Region Morges (ERM) wurde 1971 und somit zeitgleich mit dem Beginn der Bauarbeiten für die Abwasserreingungsanlage (ARA) gegründet. Zum Verband zählen 14 Mitgliedsgemeinden und 3 teilnehmende Gemeinden, von denen eine geringe Bevölkerungszahl an den ERM angeschlossen ist.

Insgesamt reinigt die ARA das Wasser von 35’000 angeschlossenen EW und 10’000 gewerblichen EW, mit einem täglichen Durchschnittsabfluss von 10’700 m³.

Die Gemeinden des Einzugsgebiets werden im Wesentlichen per Trennsystem entwässert (70 %). Nur der Stadtkern der Gemeinde Morges wird aufgrund des geringen Höhenunterschieds zum See per Mischsystem entwässert. Das Gesamtnetz umfasst 72 km Sammelkanäle. Der FW-Anteil liegt bei rund 30 %. Das einzige Rückhaltebauwerk befindet sich derzeit auf Höhe des Sees (< 100 m³). Die Versickerung des Wassers ist im Einzugsgebiet praktisch nicht möglich.

Die Einleitungen der ARA münden in den Genfersee. Das Wasser der Regenüberläufe wird in den Genfersee, den Fluss «Morges»,den Fluss «Venoge» sowie in zwei kleine Fliessgewässer, Irence und Bief, eingeleitet. Was den Genfersee betrifft, gibt es Bedenken hinsichtlich vorhandener Badegebiete nahe den Einleitungen. Zudem ist der Genfersee eine bedeutende Trinkwasserquelle.

Die Morges beherbergt Arten der Roten Liste (Dohlenkrebse), Kamberkrebs-Populationen sowie einen bedeutenden Fischbestand. Sie verfügt über eine hohe Biodiversität, nachgewiesen durch das kantonale ökologische Netzwerk Réseau Ecologique Cantonal (REC-VD).

Die Venoge unterliegt aufgrund ihrer überregionalen Bedeutung einem speziellen kantonalen Schutzplan (PAC Venoge).

Eine Erneuerung der ARA ist bis 2022 vorgesehen, mit einer Phase der Behandlung von Mikroverunreinigungen (begründet durch Einleitungen in einen See, der zur Trinkwasserversorgung genutzt wird). Die ARA wird über eine Kapazität von 88’000 biologischen EW verfügen und Nitrifikation, partielle Denitrifikation, Behandlung von Mikroverunreinigungen und Echtzeitsteuerung des eingeleiteten Wassers bieten (2x 1000 m³ Kapazität).

Eine integrale Bewirtschaftung für die ERM: Weshalb?

Der ERM muss verschiedene Schwierigkeiten bewältigen, die die Entwicklung einer integralen Betrachtung der Wasserbewirtschaftung begründeten:

  • Der Verband umfasst 14 Gemeinden, es bedarf daher eines Gesamtüberblicks.
  • Wie lassen sich die für die einzelnen Gemeinden zu ergreifenden Massnahmen wirksam ausrichten?
  • Wie lässt sich der Gesamtzustand des Systems hinsichtlich der Gesamtleistung charakterisieren?
  • Wie lässt sich das derzeitige System mit verschiedenen Entwicklungsoptionen wie beispielsweise einem Trennsystem vergleichen (Entwicklungsstrategie des EG)?
  • Wie lässt sich «beweisen», dass an bestimmten Stellen des Netzes ein FW-Problem vorliegt?

Die durch den Betreiber verfolgten Ziele sind klar definiert:

  • Wirksamer Gewässerschutz (See und Flüsse)
  • Energieeinsparungen (Abwasserhebung, auf ARA-Ebene)
  • Begrenzung der Betriebskosten (gerechte Kostenverteilung zwischen den Gemeinden)
  • Optimale Dimensionierung der neuen ARA
  • Behandlung des in das RB eingeleiteten Wassers in der neuen ARA

Ausgehend von der FW-Problematik wurde schrittweise eine integrale Wasserbewirtschaftung entwickelt. Durch die Entwicklung einer globalen Betrachtung des gesamten Netzes der 14 Gemeinden war es möglich, Optionen zur Netzentwicklung zu ermitteln. Die Problematik der Einleitungen in ein empfindliches Gewässer trat durch punktuelle Einleitungen auf. Die Planung der neuen ARA führte schliesslich zu gemeinsamen Überlegungen hinsichtlich Netz, ARA und Gewässer (See und Fliessgewässer).

Verwendete Daten

Die Daten zur ARA sind qualitativ hochwertig und liessen sich in den Instrumenten direkt verwenden. Ungenauigkeiten im Bereich der Flussmessungen (theoretische Eichkurven) erforderten spezielle Messkampagnen.

Die in den Simulationsmodellen genutzten Netzdaten sind hochwertig und konnten direkt übernommen werden. Der Vergleich Daten/Modell ermöglichte es, Unstimmigkeiten in den Daten festzustellen. Diese Punkte wurden korrigiert. Die Umweltdaten sind äusserst zahlreich, jedoch über verschiedene Internetseiten verstreut, z. B. in Bezug auf die hydrologischen Daten des Gewässers, die Ökomorphologie, die Wasserqualität oder die Überschwemmungsgefahr.

Zudem wurde bis dato keine Verbindung zwischen diesen Elementen und dem Kanalisationsnetz hergestellt. Dennoch ermöglichte es diese integrale Betrachtung der Wasserbewirtschaftung, den Betreiber und seine Mitarbeitenden für den Reichtum und die Anfälligkeit des Gewässers zu sensibilisieren.

Verwendete Instrumente

Eine Echtzeitmodellierung und vorläufige Modellierung des Kanalisationsnetzes wurden erstellt. Das Instrument wurde auf Grundlage des Routing System Suite entwickelt (Jordan 2019). Das Modell liefert Abflussdaten an jeder Stelle des Netzes, nach aktuellem Stand und bis zu 48 Stunden im Voraus per Web-Interface. Die Datenhistorie lässt sich ebenfalls direkt im Internet einsehen. Zudem sind im System Alarmstufen (max. Abflüsse überschritten, Unterkapazität des Netzes, Überlauf in Aktion etc.) implementiert.

Das Simulationsmodell wurde ebenfalls verwendet, um Eingangsdaten für die Software REBEKA zu erzeugen und so die Auswirkungen der Einleitungen der verschiedenen Entwässerungsanlagen in die Morges mithilfe eines VSA-STORM-Ansatzes abzuschätzen.

Auch ein Instrument zur Echtzeit- und vorläufigen Modellierung der ARA wurde getestet. Die Software für die Echtzeitsimulation wurde mit dem ARA-Modell in Echtzeit gekoppelt, um die ARA in Bezug auf Ertrag und Stromverbrauch vorausschauend zu optimieren.

Wenngleich sich die Kopplung am Standort als wirksam erwies, liess sich das Potenzial der tatsächlichen Anwendung der Software zur Optimierung der ARA-Funktion nur notdürftig ausschöpfen. Dennoch eröffnet die Kopplung Netzmodell/ARA-Modell interessante Perspektiven und fördert die Entwicklung neuer Ansätze zur ARA-Modellierung.

PASST-Analyse

Die Anwendung des Instruments PASST im Fall des ERM ergibt einen Score von 0.71 für das Potenzial der Infrastruktur und von 0.56 für das Potenzial des Einzugsgebiets. Dieses Ergebnis führt zu einer Einordnung dieses Beispiels an der Grenze zwischen grünem Bereich (dynamische Wasserbewirtschaftung empfohlen) und gelbem Bereich (Im Einzugsgebiet ist die dynamische Wasserbewirtschaftung vermutlich interessant. Eine weitere Analyse wird empfohlen.).

Angesichts des durchschnittlichen Trennanteils im Einzugsgebiet lässt sich das Instrument PASST nicht anwenden (max. 50 % im Trennsystem). Dennoch wird das Potenzial einer dynamischen Netzbewirtschaftung hervorgehoben.

Derzeit gibt es oberhalb im Einzugsgebiet keine Rückhalteanlagen, die sich dynamisch bewirtschaften lassen. Die an einer der schwarzen Stellen des Netzes durchgeführte Analyse zeigt, dass sich die aufgetretenen Probleme durch die Optimierung einer Abwasserhebeanlage nicht lösen liessen und eine Rückhaltelösung angezeigt wäre. Ein gewisses Retentionsvolumen könnte auch durch einen Anschluss kleiner ARAs an das ERM-Netz abgeführt werden: Diese Volumen würden die Einrichtung einer dynamischen Bewirtschaftung bei Regen ermöglichen.

Diese dynamische Bewirtschaftung ist für die künftige Behandlung von Regenwasser in der ARA vorgesehen. Sie basiert auf dem im Einzugsgebiet eingesetzten Instrument zur Prognose von Abflüssen. Das Ergebnis der PASST-Analyse ist demnach mit der künftigen Entwicklung des Netzes und der ARA kompatibel.

Integraler Ansatz für die ERM

Hinsichtlich der integralen Wasserbewirtschaftung wurden im Beispiel ERM mehrere Bereiche auf verschiedenen Ebenen betrachtet. Wie aus nachfolgender Abbildung ersichtlich wird, ist die Bewirtschaftung auf der Ebene Netz-ARA-Gewässer perfekt integriert.

Abbildung der verschiedenen Bereiche der integralen Wasserbewirtschaftung, die von den verschiedenen Beispielen dieses Standorts betroffen sind: innerer Ring, NAG-Bereich, äusserer Ring: weitere betroffene Bereiche

Die anderen Bereiche wurden auf verschiedenen Ebenen einbezogen. Die fischereilichen Aspekte spielten eine sehr wichtige Rolle bei der Auswahl des Entwässerungssystems in Zusammenhang mit unfallbedingten Verschmutzungen (Fischsterben) und dem Vorkommen von Arten der Roten Liste insbesondere in der Morges.

Folgende Aspekte wurden weitgehend in die Überlegungen einbezogen:

  • Freizeit und Erholung: Berücksichtigung der Einleitungen in den Genfersee (Strand), Spaziergang entlang des Sees. Vorhandensein eines Wanderwegs entlang der Morges.
  • Be-/Entwässerung: Grundlage der integralen Bewirtschaftung in diesem Beispiel: Die Entwässerung der landwirtschaftlichen Flächen durch das Kanalisationsnetz führte in einigen Gemeinden zu hohen Fremdwasseranteilen.
  • Hochwasserschutz: Die verwendeten Instrumente ermöglichen die Vorhersage von Hochwasser sowie die Ermittlung von Überschwemmungsgefahren in der Stadt durch Überlastung des Netzes. Zudem wurde die Abflussgefährdungskarte berücksichtigt.
  • Raumordnung: Der Wiederaufbau der ARA am Ufer des Sees ist mit zahlreichen Herausforderungen im Bereich Raumordnung verbunden. Der Anschluss neuer Gemeinden beeinflusst die hydraulischen Bedingungen des Sammelkanalnetzes; die demografische Entwicklung und insbesondere die Verdichtung der Bevölkerung im städtischen Umfeld haben einen starken Einfluss auf die Wasserbewirtschaftung.

Weitere Bereiche sind mässig betroffen:

  • Revitalisierung von Gewässern (nur kleine Fliessgewässer, Bach Bief)
  • Schutz von Feuchtgebieten: indirekte Berücksichtigung durch kantonale Vorschriften

Weitere Bereiche wurden geringfügig oder gar nicht in die Überlegungen einbezogen: Biodiversität, Wasserkraft, Trinkwasser (hauptsächlich aus dem See stammend), Grundwasserschutz, Landwirtschaft.

In diesem Beispiel wurden andere Bereiche pragmatisch einbezogen und dabei lokale Besonderheiten berücksichtigt. Es gab kein Bestreben, einen Bereich dem anderen Bereich vorzuziehen bzw. einen speziellen Bereich auszuwählen.

Zusammenfassung

Ein Ansatz der integralen Wasserbewirtschaftung im Falle des ERM birgt zahlreiche Vorteile:

  • Verbesserung des Kontakts und des Dialogs mit den Gemeinden
  • Schaffung eines Klimas des Vertrauens
  • Gewinn an Glaubwürdigkeit für bestehende Probleme
  • Aufzeigen von Lösungen
  • Identifizierung der zu klärenden Aspekte, Möglichkeit der Lokalisierung und Priorisierung von Massnahmen
  • Entdeckung eines besonders vielfältigen Gewässers, das Schutzmassnahmen benötigt

Der Ansatz ermöglicht dem Betreiber ein besseres Verständnis der Prozesse bei Regen sowie zielgerichtetere Massnahmen und Forschungen insbesondere in Zusammenhang mit dem Gewässer. Die Wirksamkeitsprüfungen wurden verstärkt:

  • Quantifizierte FW-Anteile für die verschiedenen Gemeinden, visuell kontrollierte Einleitungen auf Grundlage des Echtzeit- und vorläufigen Bewirtschaftungsmodells, gezielte Kontrollen der Entlastungsbauwerke,
  • Messbare Auswirkungen der Hauptarbeiten im Bereich der ARA und der Gewässer (Inspektionsrunden)

Zudem traten folgende Schwierigkeiten auf:

  • Unüberwindliche finanzielle Obergrenzen: Die Finanzplanung bleibt im Bereich der Gemeinden problematisch.
  • Fehlende Synergie zwischen den Gemeinden
  • Zeitintensiver Ansatz

Mehrere unfallbedingte Verschmutzungen in der Morges, die zu Fischsterben führten, sensibilisierten die kommunalen Behörden für die Anfälligkeit des Gewässers gegenüber Verschmutzungen. In diesen Fällen ist der Betrieb des Kanalisationsnetzes nicht die Ursache. Eine Erweiterung des Perimeters der integralen Bewirtschaftung des Einzugsgebiets auf andere Bereiche (z. B. Landwirtschaft, Weinbau, industrielle Einleitungen ARAs oberhalb, …) zeichnet sich als Option ab, um diese unfallbedingten Verschmutzungen besser handhaben und vorhersehen zu können. Dazu sind jedoch Ressourcen erforderlich, die im Bereich des ERM aufgrund fehlender Finanzmittel noch nicht modellierbar sind.

Im Fall des ERM wurden folgende Schwierigkeiten hinsichtlich der Einführung einer echten integralen Wasserbewirtschaftung ermittelt:

  • Derzeit unmögliches Verhältnis zwischen «Kosten» und «Ökologie»; es fehlt ein Instrument, das eine Quantifizierung der Umweltvorteile im Vergleich zu den investierten Finanzmitteln ermöglicht.
  • Ein Lockmittel nach dem «Zuckerbrot und Peitsche»-Prinzip fehlt, das Druckmittel ist ebenfalls unzureichend. Es fehlt eine echte «Wasserpolitik», die klare Fristen für die Anpassung definiert.
  • Zeitintensiv: Die Stabilität der politischen Organe ist ein Problem, da die Exekutivorgane oft wechseln. Es fehlt an Kontinuität in der Gesetzgebung.
  • Der Verband ERM spielt eine entscheidende Rolle bei der GEP-Unterstützung der Gemeinden und kann daher die Gemeinden für aktuelle und künftige Probleme sensibilisieren. Dennoch bedarf es Zeit, um einen offenen und konstruktiven Dialog mit den Gemeinden zu führen.

Dank des aufgenommenen Dialogs und den entwickelten Instrumenten zur integralen Bewirtschaftung sind konkrete Folgen erkennbar: Es lässt sich ein Vertrauensgewinn feststellen, zudem erfolgen die Massnahmen zielgerichteter auf die zu klärenden Hauptaspekte, wenngleich die finanziellen Mittel die erforderlichen Investitionen beschränken können.

Die entwickelten Instrumente ermöglichten es, für die künftige Entwicklung der ARA Vertrauen zu gewinnen. Die künftige Dimensionierung wurde im Vergleich zum ursprünglichen Projekt erheblich reduziert, zudem erfolgt künftig eine dynamische Bewirtschaftung des Regenwassers.

 

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